Die Rubrik SPRACHPFLEGE ist unserem Gegenwartsdeutsch gewidmet. Im Visier haben wir Spracherscheinungen, die
bemerkenswert sind oder auffällig, die uns amüsieren oder ärgern, die wir für nahezu unerträglich oder für besonders pfiffig halten.
Die Belege werden vorwiegend regionalen Medien, Veröffentlichungen, Werbetexten und anderen schriftlichen oder
mündlichen Äußerungen entnommen.
Sprachlich Merkwürdiges wurde aufgespießt und eigenwillig interpretiert von Dr. Frieder Spitzner.
Unter "Zeitgeschehen" veröffentlichte eine Zeitung Äußerungen eines prominenten deutschen Politikers mit
christlichem Hintergrund. Seinen Antworten auf Fragen zur Gefährdung der Demokratie ist folgender Satz entnommen:
"In Deutschland werden einfach zu wenige Kinder geboren, und es gibt einfach zu wenig arbeitsfähige und
arbeitswillige Bio-Deutsche."
Es drängt sich die Frage auf: Was sind "Bio-Deutsche"?
Vorausgesetzt, dass es sich um Lebewesen der Kategorie Mensch handelt, liegt die Vermutung nahe, dass sie in einem
grün angehauchten Territorium aufgewachsen sind und sich daselbst selbstgefällig tummeln. Diese Definition unterscheidet
sich kaum von der im Duden. Im Regelwerk der deutschen Rechtschreibung wird "biodeutsch" wie folgt erhellt:
das Wort steht für "deutscher Abstammung u. in Deutschland heimisch" - aber mit Warnhinweis: "meist ironisch abwertend".
Sprachkritischer Nachtrag: Kindern, die künftig geboren werden, sollte schmackhafte Bio-Kost angeboten werden.
Die Bezeichnung "Bio-Deutsche" möge ihnen erspart bleiben.
Feedbackkultur statt Notenvergabe
Nicht Angst einflößende Notenlisten, sondern vermeintlich Lernlust und Leistungsvermögen steigernde
sogenannte Leistungsentwicklungsbögen füllen Lehrer jetzt aus - versuchsweise, in 11 Schulen Sachsens,
für Schüler unterer Klassen, in einigen Fächern.
Die ministerielle Versuchsbilligung wurde folgendermaßen formuliert: Im Versuch sollen "neue pädagogische
Ansätze zur Stärkung einer entwicklungsförderlichen Feedbackkultur erprobt werden."
Der Zeitgeist ermöglicht so manchen Versuch. Der Leistungsbewertung ohne Noten, denglisch vermummt als
Feedbackkultur, könnte ein Pisafeedback folgen, das einen Kulturschock auslöst.
Beim Blick in die Medien erblickt man mitunter Erstaunliches. Eine Nachricht war folgendermaßen überschrieben:
"150 Jahre Berufsfeuerwehr feiern".
Bereits eine Woche nach dieser Anregung zur Langzeitfeier wurde mitgeteilt:
"Pausaer Feuerwehr feiert 150 Jahre".
Vogtländer halten diesen Zeitraum, wie es scheint, für angemessen.
Denn ihre Feuerwehr nennen sie sowieso seit eh und je "Feierwehr".
Im Vogtland wird Knoblauch nicht nur gegessen, sondern auch gezüchtet.
Die Riesenknolle "Baretta Sunshine" aus Zwota wurde 2012 vom Bundessortenamt in Hannover als erste Amateursortenpflanze
amtlich zugelassen. Einem Pressebeitrag war kürzlich des Zwotaer Züchters Beschreibung der Knoblauchzwiebel zu entnehmen.
Für ihn ist "Knoblauch der Paukenschlag bei der Kochsinfonie".
Als Freund der Knolle füge ich hinzu: Knoblauch ist auch der Hammerschlag im Ensemble der Düfte.
so heißt eine Rubrik auf einer Internetseite, auf der am 24.04.2024, nur 24 Stunden nach dem "Tag des deutschen Bieres", gefragt wurde:
"Kann ich abgelaufenes Bier noch trinken?"
Ein Schluckspecht, Experte für Flüssigkeiten jeglicher Art, ist betrübt und meint:
Wenn Bier unkontrolliert abgelaufen und wie Regenwasser versickert ist, müssen trockene Kehlen trocken bleiben.
Ein wie ein Rinnsal aus einem Fass abgelaufenes Bier, das eine Bierlache, also eine Pfütze bildet, lässt sich nicht zapfen
und insofern nur unter widrigen oder ekligen Umständen schlürfen.
Soweit, so betrüblich.
Aber könnte es sein, dass dem Fragesteller gar kein Bier abgelaufen ist? Dass er, im Gegenteil, irgendwo in angestaubten
Flaschen welches entdeckt hat? Dass nicht das Gebräu, sondern dessen Verbrauchsdatum abgelaufen war und er dieses Wort
mit der Konsonantenfolge "chsd" nicht mehr flüssig über die Lippen brachte?
Wie dem auch sei: Ist nur das Datum abgelaufen und das kühle Blonde nicht eingetrübt, kann man dieses, was jeden armen
Schlucker beseelt, den Verdauungsorganen zuführen und nach dem dortigen biochemischen Umwandlungsprozess kontrolliert ablaufen lassen.
Bis zum Lebensende mobil, dann Totenruhe. - So war das, einst.
Jetzt, vermutlich wegen akuten Personalmangels, sind sogar Verstorbene aktiv. Und zwar erfolgreich.
Beweis gefällig?
Am 16. März 2024 meldete eine Zeitung: "Baby von toter Frau gefunden". Sensationell, Nothilfe aus der Gruft!
Zeugt das von einer Zeitenwende im Totenreich?
Oder verursachte, wie fast alltäglich, bloß ein Fehlerteufelchen einen Sprachpatzer?
Unter der Überschrift "Wieder mehr junge Komasäufer" alarmiert eine Tageszeitung die Öffentlichkeit mit folgender Nachricht:
"Viele unter 15-Jährige und Mädchen vergifteten sich 2022 in Sachsen mit Alkohol."
Ein älterer Zeitungsfreund wundert sich: Sind die unter 15-Jährigen nur Jungs? Zählen süffelnde Mädchen extra,
und wie alt sind sie? Berichtet wird: Besorgte Eltern (Mütter wurden vermutlich versehentlich nicht extra benannt)
wüssten gern, was gegen sinnloses Saufen hilft. Aber manche Leser, weibliche wie männliche, fragen sich, wie denen
geholfen werden kann, die sich am Gendern berauschen.
In einer Dezemberausgabe einer Wochenendzeitung wurden in drei Beiträgen Wörter/Formulierungen gedoppelt.
Zitate:
"Er ist wohl die schönste Randnotiz des FIS Grand Prix im Skispringen am Wochenende (8. bis 10. Dezember)
in der Vogtland Sparkasse Vogtland Klingenthal".
"Der genaue Standort, an dem das Foto aufgenommen wurde, lässt sich nicht mehr genau verorten."
"Die Göltzschtalbrücke ist nicht nur ein Wahrzeichen im Vogtland, sondern auch die weltgrößte Ziegelsteinbrücke der Welt."
Was in den drei Sätzen doppelt daherkommt, hat ein findiger Kopf zu einem Satz verbastelt. Passend zur sprachlich
flatterhaften "heutigen Jetztzeit" gab er Folgendes zum Besten:
Die Vogtland Sparkasse Vogtland hat einen genau verorteten genauen Standort in der weltweiten Welt.
Am 11.11.2023 erhielt meine Frau einen Brief mit einem Mega-Los der Deutschen Fernsehlotterie. Der Begleittext versetzte
sie in Karnevalsstimmung. Sie las ein zweites Mal: "Sehr geehrte Frau S ... ., nutzen Sie ihre persönliche Chance und
werden Sie zur Gewinnerin oder zum Gewinner."
Nur mühsam ein Kichern unterdrückend, verkündete sie: "Ich habe die Chance,
ein Gewinner, also ein Mann, zu werden. Muss nur was unterschreiben und Risiken nicht fürchten." Letzteres entnahm
sie dem Hinweis: "Mit der Unterschrift bestätigt der/die Lotterieteilnehmer/-in seine/ihre Volljährigkeit.
Glücksspiel birgt Risiken."
Das ist wohl wahr. Denn Spielerei bringt nicht nur Glück, kann aber durchaus erheitern,
wie geflissentliches Gendern. Das birgt Scherzpotenzial, veranlasst Lotteriespieler,
Frauen gehören selbstverständlich dazu, zum Mega-Loslachen.
Sagt der Lehrer: Das Verb gendern wird oft englisch ausgesprochen. Das g am Wortanfang kann aber auch klingen
wie beim Wort groß. Bildet bitte schnell einen Satz, in dem dreimal groß vorkommt. Dann diskutieren
wir übers Gendern."
Zuerst meldet sich ein Kleiner und sagt:
"Auch großer Quatsch hat die
große Chance, von der großen Mehrheit hingenommen zu werden."
Unsere Welt zu verbessern, das ist wahrlich nicht leicht. Was getan werden müsse, dass es vorangeht,
wurde in einer Talkshow gefragt. Ein Gesprächsgast aus den Reihen der Politik offerierte dem erwartungsvollen
Publikum seine Erkenntnisse, die er etwa so verkündete:
Wir müssen jetzt gucken, dass wir nach vorn schauen. Na ja, Blicke nach irgendwohin sind wohl kein Allheilmittel
zur Krisenbewältigung. Aber diese Äußerung des Politikers eignet sich immerhin als Beleg - für allerlei Geschwafel
in so mancher öffentlichen Diskussionsrunde.
Das Fazit vorweg: Gute Männer werden frauenfreundlich gedoppelt - böse bleiben unter sich.
Die folgenden Wörter sind einem Presse-Interview mit einem Politiker entnommen.
weiblich und männlich - nur männlich
Demokratinnen und Demokraten (4x) - Rechtsextremisten
Verfassungsrechtlerinnen und Verfassungsrechtler - Verfassungsfeinde
Wählerinnen und Wähler - Gegner
Politikerinnen und Politiker - solche Leute (Rivalen)
Richterinnen und Richter - Rechtsradikale
Es betrifft wirklich alle. Das ist nicht zu übersehen im Stellenangebot einer sächsischen Stadtverwaltung.
Sie sucht "eine engagierte und belastbare Persönlichkeit (m/w/d)".
Die Stadtverwalter haben, vermutlich vermeintlicher Korrektheit wegen oder gewissermaßen vorsichtshalber,
nicht versäumt, in der Anzeige deutlich sichtbar anzuzeigen, dass die gesuchte, eine zur Persönlichkeit
gereifte Person, also ein menschliches Wesen, durchaus unterschiedlichen Geschlechtes sein kann. - Das beeindruckt natürlich.
Ein Zusatz wie (m/w/d) gilt als deutliches Zeichen für Chancengleichheit
bei der Stellenbewerbung, als Garant für gewünschte gleichberechtigte Behandlung. Dass viele Wörter auch ohne
einen solchen Zusatz alle biologischen Geschlechter sprachlich gleichstellen, wird seit geraumer Zeit in
wichtigtuerischer Manier als altväterisches, nicht mehr zeitgemäßes Sprachverständnis öffentlich abgewatscht.
Deshalb kann wohl nicht ausgeschlossen werden, dass bald niemand mehr zu fragen wagt:
Sind Bezeichnungen mit Zusatz - beispielsweise der Mensch (m/w/d), die Bevölkerung (m/w/d), das Volk (m/w/d),
die Leute (m/w/d) - zukunftsträchtig oder Nonsens oder zukunftsträchtiger Nonsens?
Ein junger Ruheständler genießt die Freistellung vom Schuldienst vorzugsweise im Garten. Denn er sympathisiert mit jeder
Art von Grün. Aber ein paar Schulstunden, so zur Abwechslung, würde er sich zumuten. Er sucht und findet Stellenangebote.
Eine Schule benötigt "Lehrkräfte", eine andere "Lehrpersonal". Doch beides kommt bei ihm nicht gut an. Er mutmaßt, er sei
bei der Stellenausschreibung nicht gemeint, würde nicht berücksichtigt, ignoriert, vielleicht gar diskriminiert. Ist er
doch ein Mann und fühlt sich deshalb mit grammatisch weiblichen oder sächlichen Bezeichnungen nicht angesprochen.
Das männliche Geschlecht, so meint er, müsse doch im Wort voll zur Geltung kommen oder zumindest in einer Punkt- oder
Strichelform oder auch andersartig sichtbar sein!
Rechtschreibregeln hin oder her! Also, wie der bloß auf eine solche Idee kommen konnte.
Im 18. Jahrhundert hat die Neuberin dem sinnfrei agierenden Hanswurst die Bühne verweigert.
Im 21. Jahrhundert darf jeder Mann auf der Bühne fast alles treiben, wonach ihm der Sinn steht. Als anstößig aber gelten
geschlechterübergreifende grammatisch männliche Wörter. Denn diese, so heißt es, diskriminieren, ignorieren, bevormunden,
ja unterdrücken all diejenigen, die sich biologisch vom Mann unterscheiden. Weibliche Personen, die am Theater
schauspielern, gehören zur "Belegschaft" oder zum "Personal" , sind aber keineswegs "Mitarbeiter". Dieses männliche
Wort muss erst auf die Streckbank, wird mit Zeichen und Anhängsel gedehnt und dann als "Mitarbeiter:innen" dem Publikum
zugespielt.
Kritiker bemängeln Missachtung von Rechtschreibregeln und fragen außerdem, wie man " : " ausspricht.
Eine Sprechpause vor " innen ", also den Sprachfluss unterbrechen und kurz schweigen, belehrt man.
Zweifler argwöhnen: Ein kurzes Schweigen - also vermutlich ein lautloser Vorgang - bestärkt geschlechtliche Gleichstellung?
Und was ist mit den Rechtschreibregelverstößen? Dafür gibt es eine theatralische Rechtfertigung. Regelwidriges, wie die
Worterweiterung, sei Zeichen hehrer künstlerischer Freiheit und nicht zu verwechseln mit sinnfreiem Agieren nach Hanswurst-Art.
Eine Pressemeldung trug die Überschrift: "Landrat stellt sich Fragen".
Ich stellte mir sofort die Frage "Wieso das? Er stellt sich vielen Herausforderungen und muss sich doch keine Fragen stellen."
Beim Lesen des Artikels stellte sich heraus, dass Andere die Fragen stellten. Sprachlich stellt es sich natürlich so dar,
dass derjenige, der etwas darstellt und sich Fragen stellt, selbstverständlich nicht eigene, sondern Fragen von
Fragestellern beantwortet, also gewissermaßen Ungereimtheiten richtigstellt.
Nachdem das klargestellt ist, kann man sich die Frage stellen, ob man es sich vorstellen kann, sich mit seinem Namen
vorzustellen und die Antworten auf die gestellten Fragen in Frage zu stellen.
Das ist wohl eine Frage der Einstellung zu Stellungnahmen.
(Vorstellbar ist, dass man dieser Darstellungsweise Sprachgaukelei unterstellt. Aber ob hier Wortspielerei vorgestellt
bzw. dargestellt wird oder ob Wortnuancen zusammengestellt und gegenübergestellt worden sind, sei dahingestellt.)
Kennen Sie ein aus acht Buchstaben bestehendes, viersilbiges Wort,
in dem nur der Vokal e vorkommt - allerdings viermal?
Des Rätsels Lösung - welches mit Literatur zu tun hat - finden Sie unter dem Eintrag im Monat März.)
Im gesättigten Magen grummelt es. Immer wieder. Warum bloß?
Würzten die Köche der Sattmacherspeisen mit zu viel Eigennutz?
Wurde zu wenig Selbstlosigkeit, Rechtschaffenheit, Vernunft beigemischt?
Mindert das den Geschmack?
Frustriert das die Zufriedenen?
Torlos endete ein Spiel der Fußballregionalliga Nordost. Darüber berichtete die Presse unter der Überschrift
"Chemnitz nullt sich an die Spitze". Mit null Toren rückten die Kicker auf Platz eins der Tabelle - laut Mitteilung
zumindest vorübergehend. Bei aller Anerkennung für das Vorrücken an die Tabellenspitze können die Mannen des Fußballclubs
nicht als "Sieger" bezeichnet und wegen des 0:0 erst recht nicht mit dem weiblichen Wort "Nullen" abgestempelt werden.
Für das Benennen von Null-Tore-Spielern, die dennoch eine Positionsverbesserung erzielen, also für erfolgreiches Unvermögen,
fehlt im Fußballjargon ein respektabler Begriff. Es böte sich an das Wort "Nuller". Aber wird bei mancherorts
ausuferndem Genderfrohsinn ein männliches Substantiv für sich nach oben nullende weibliche Mannschaften Beifall finden?
Sollten trefferlose Akteure jeglichen Geschlechtes treffender als "Nuller:innen" bezeichnet werden?
Bitte nicht.
Aus muttersprachlicher Sicht wäre das ein Schussversuch mit Regelverstoß. Die Toleranz für Fehlschüsse dieser Art liegt
weithin im Null-Prozent-Bereich, was als Gewinn bewertet werden kann.
[Lösung des Sprachrätsels vom Juni: Das Wort lautet "Leseecke"]
Einst wurde als Hilfskraft ein weißer Schimmel gesucht. Viel Weiß war wohl wichtig. Viel hat sich geändert.
Jetzt ist Personal mit viel Geschlecht gefragt. Eine sächsische Hochschule sucht etwas, was sie "Kanzler:in (w/m/d)" nennt und
für ein "Kanzler:in-Amt" braucht.
Ein vogtländisches Klinikum sucht "eine Medizinische Fachangestellte (m/w/d)".
Eine bayerische Große Kreisstadt sucht "eine/n Kommunalarbeiter/in (m/w/d) als Elektroinstallateur/in oder Elektromonteur/in".
Einst war Bildung ein Privileg, für viele nicht zugänglich. Viel hat sich geändert.
Jetzt steht geschrieben: "Wir leben in einer Kultur, in der jegliche Form von Bildung, von Expertise immer weniger geschätzt ist.
Das hat sicher mit Social Media zu tun und einer gewissen Bildungsfaulheit."
Na und? Man formuliert seine Annoncen, wie man
es gerade für richtig hält, auf eigene Art - eigenartig eben.
(Textstellen in Anführungszeichen aus: Freie Presse, 22.10.2022, Anzeigen, C3, und Menschen & Meinung, B3; Betrachtungen zum
Gendern bei www.literaturgesellschaft-vogtland.de, unter "Sprachpflege", nach den "Sprach-Fundstücken")
Vom Gas hatte einen besonders üblen Traum
ein Gast in einem gut geheizten Raum.
Als Hinweisgeber auf beides, den Vorfall und den Ort,
fungierte ein einziges Wort.
"Gastraum"
Die Freie Presse ließ verlauten: "Star leiht Falkensteiner Zoo seine Stimme". Dass deswegen eine Lerche verstimmt und ein Kuckuck verstummt seien, das ist wahrlich eine Ente. Aber Elefant, Tiger und Co. sind mucksmäuschenstill beim Wohlklang der Stimme des Stars Christian Steyer (Schauspieler und Synchronsprecher).
Die 96-Jährige fasziniert Günstlinge, Verehrer, Beobachter und nicht zuletzt Vertreter der schreibenden Zunft gleichermaßen.
Um Rekorde und Alleinstellungsmerkmale der Queen sprachlich widerzuspiegeln, reicht hinlänglich bekannter Wortschatz nicht.
Es bedarf spezifischer, verheißungsvoller Wortschöpfungen. Vorgestellt seien drei, der Presse entnommene, plastisch-drastische,
hinreichend amüsante Sprachkreationen:
"Thron-Dauerhockerin", "Grüßtante des Königreichs", "plüschiges Überbleibsel des 20. Jahrhunderts".
Unter den Gästen einer Fernsehsendung befanden sich ein Koch (dem Fleisch sehr zugetan) und auch Genießer rein fleischloser Kost. Für Heiterkeit in der geselligen Runde sorgte die Titulierung "eingefleischter Vegetarier". Kann diese Bezeichnung allerorts unbekümmert verwendet werden, oder könnte sie sich gelegentlich als Fettnäpfchen erweisen, das man unbedingt umgehen sollte?
Nach der Wahl wurde in der Presse mitgeteilt:
"Das Ergebnis hat gezeigt, dass man weder eine Frau als Landrätin haben
will, noch jemand, der nicht konservativ ist. Man soll sich hinterher nicht aufregen. Man kriegt jetzt das, was man
gewählt hat." - Kriegt man jetzt einen Mann als Landrätin?
Wie in der Presse nachzulesen, war ein Kandidat für ein Amt einst "angestellter Steuerfachangestellter". Gesetzt den Fall, dass ein Angestellter etwas anstellt, was dazu führt, dass er "abgestellt" wird - wäre er dann ein "abgestellter Angestellter" oder ein "angestellter Abgestellter"? Eigentlich ist das egal, Hauptsache er hätte nach wie vor eine Anstellung.
In der Duden-Ausgabe 2020 heißt es: "Die 10 längsten Wörter im Rechtschreibduden bestehen aus mindestens 32 Buchstaben."
In der (laut Duden) "Top-Ten-Liste" dieser "Wortgiganten" fehlt eine im Vogtland wichtige, von der Freien Presse am 31.03.2022 ins Licht
gerückte Bezeichnung: Metallblasinstrumentenmachermeister.
Ist es nicht gigantisch, dass man im Deutschen mit 35 Buchstaben darlegen kann, wer mit welcher Qualifikation was aus welchem Material herstellt?
Und mit einer Worterweiterung um nur 29 Buchstaben kann sogar ein Hinweis auf ein respektables Dokument gegeben werden,
auf das
Metallblasinstrumentenmachermeisterqualitätserzeugnisverzeichnis.
Friederike Caroline Neuber wurde vor 325 Jahren in Reichenbach /V. geboren. Ihr zu Ehren finden 2022 mehrere Veranstaltungen statt.
Ein Steppke las den Titel eines Festprogramms: "Ein Frauenzimmer macht Theater".
Neugierig geworden, fragte er: "Ist das unsere Nachbarin? Weil, also mein Vater, der sagte: ´Die Olle macht Krach!'"
Kann es sein, dass die Meldung einer Tageszeitung unter dieser Überschrift Verwunderung auslöste? Aber nein!
Schon Goethes Faust, der Verzweiflung nahe, den Umständen nur mühsam trotzend, sinnierend nach Auswegen suchend, hatte die
erlösende Eingebung für einen Neuanfang. Nicht das Wort, den Sinn und die Kraft muss man schätzen, dies kann man alles ersetzen.
Ihn motivierte der Rat: »Im Anfang war die Tat!«
In der Tat, Hammer-Werke hämmerten schon lange, als ihnen, der geistigen Ertüchtigung wegen, Büchereien zugeschlagen wurden.
Aber die kamen, schon vor Jahren, unter den Hammer. Jetzt ist es an der Zeit für neue Normen, um Geist und Talent zu formen.
Statt Bücher ohne Ende gehören in die Bibliotheken andere Instrumente. Robustes Rüstzeug, nicht bedrucktes Papier, bringt
uns voran - auf dem Weg vom Land der Dichter und Denker zu einem Ländle der Behämmerten.
Besorgt fragte die Mutter: "Ist Dein Ehemann auch so ein Impfgegner?"
"Ganz im Gegenteil", antwortete die ein wenig gepiesackt wirkende Tochter.
"Er hat sich impfen lassen und lässt keine Gelegenheit aus, selbst zu sticheln."
Einem Lehrer, der oft von schöner Sprache schwärmt, machte ich ein Geständnis.
Eine große, fette Zeitungsüberschrift vor Augen,
äußerte auch ich: "Arbeit macht mir mega Bock".
Des Lehrers Reaktion klang (r)echt bockig:
"Es macht mega Arbeit, modernistischen Sprech vom Bock zu holen."
Beim Leserobmann der Freien Presse aufgeschnappt und folgendermaßen verknappt:
- Eine Zeitungsüberschrift lautete: "Wenn Opa am Steuer zum Risiko wird".
Einer ärgerte sich darüber und fragte empört: "Und was ist mit Oma?"
- Historisch wertvolle Kunstwerke erhalten wegen ihrer vermeintlich/mutmaßlich rassistischen oder diskriminierenden
Titel neue Bezeichnungen.
Eine Frau war verwundert.
Und verschmitzt teilte sie mit: "In meinem Garten steht ein lustiger kleinwüchsiger Mann."
- Eine Leserin witzelte:
Genderbewusst bestellt eine Gästin eine Radlerin. - Und was sagt der Wirt? -
"Tut mir leid, aber das Zapfhuhn ist leider defekt."
In einem Gastkommentar im Vogtland-Anzeiger erinnerte Landrätin Martina Schweinsburg an alte Zeiten: » ... da war Deutschland
das Land der Dichter, Denker und Wissenschaftler.«
Deren Wortschatz reicht heutzutage nicht mehr. Man greift nach Sternen, bastelt Himmelskörpern ähnelnde Gebilde an
bewährtes Wortgut, verspricht sich davon heilbringendes Glitzern. Es entstehen kaum verständliche und nur mit Mühe
aussprechbare Wortgefüge. Dennoch vermehren sich die Gendersternchen und andere Stricheleien ständig - während und
weil Sprachbildung und Sprachverständnis vom alltäglichen Sprachmischmasch aufgesogen werden. Publiziert wird, dass
grammatisch männliche Wörter für die Benennung natürlicher Weiblichkeit und geschlechtlicher Andersartigkeit nicht
mehr taugen. Die jedes Geschlecht bezeichnenden männlichen Substantive müssen deshalb verformt werden. Eine
öffentlich-rechtliche Begründung dafür lautet:
»Unser Anspruch ist es, Frauen sprachlich dort sichtbar zu machen, wo sie es bisher nicht sind.«
Also ist es geboten, Quatsch von sich Gebende nicht mehr geschlechterübergreifend, neutral als Quatscher, sondern
zeitgemäß korrekt, geschlechtererhellend als Quatscher*Innen zu bezeichnen - sogar Dichtern, Denkern und Wissenschaftlern zum Trotz.
Der Sprache wird je nach individuell geprägter Ansicht unterstellt, dass sie sich positiv oder negativ entwickle.
Doch sie überträgt nur in Wortformen gekleidete Gedanken. Was als Entwicklung bezeichnet wird, sind Sprachveränderungen
als Folge der durch Menschen vollzogenen Anpassung ihrer Sprache an Neues im Lebenswandel.
Zu den Besonderheiten unserer Zeit gehört es, auch Unsinnigem Beachtung zu schenken und mit solchem Kompromisse einzugehen.
Was sich daraus ergibt, gilt als entwicklungsbedingt erforderlich und wird mit dem Prädikat "zeitgemäß korrekt" versehen.
... informiert nachmittags über Aktuelles, Tragisches, Prominente. An einem Freitag ging es in einem Beitrag um Brandstifter, und es wurde mitgeteilt, dass jede zehnte Täterin eine Frau sei. Zur Sprache kamen auch Benachteiligungen, worüber weibliche Künstlerinnen klagten. Dies alles vernehmend, begann ein weißer Schimmel zu wiehern. Leidlich erheitert hat ihn die Scherzfrage, ob Männer Bundeskanzlerin werden könnten. Und fast ein wenig erstaunt, aber erfreut nahm er zur Kenntnis, dass eine bekannte Schlagersängerin nicht als Lerche oder Meise, sondern in bewährter Weise wie männliche Publikumslieblinge als "Star" bezeichnet wurde.
Außerirdische, würden sie Wesen beobachten, die sich gegenseitig bekriegen und die Natur zerstören, sie würden wohl weiterfliegen. Das vermutet, laut Pressemitteilung, einer mit kritischem Blick auf das Treiben der Menschheit - der Astronaut Alexander Gerst.
Für Gesprächsstoff sorgte bei einer Fernseh-Talkrunde die wohl jüngste Wortschöpfung: »sich emporirren«. Virologen und
andere Corona-Pandemie-Diagnostiker stellten über das Virus Mutmaßungen an und irrten. Sie mutmaßten von neuem und
irrten wieder, mutmaßten wiederholt, irrten - aber auf diese Weise schnellte ihr Erkenntnisstand empor.
»Sich emporirren« ähnelt den von der Sprachdiagnostik mit dem Hinweis »derb« versehenen Ausdrücken »sich
fettfressen« oder »sich vollsaufen«.
Diese Wörter verheißen allerdings keinen geistigen Zugewinn, sondern körpereigenen, stufenweisen, bedrohlichen
Anstieg des Gewichts und des Alkoholpegels.
Insofern ist der Vergleich mit »emporirren« mutmaßlich irrwitzig.
Je mehr Nachrichtensprecher, Moderatoren, Diskutierende gendern und je mehr Hinhörende die Nase darüber rümpfen,
desto reizvoller werden Antworten auf folgende Fragen:
Dürfen alle über den Genderwahn lästernde Nasenträger etwas hochnäsig, aber nicht unfreundlich als »Naseweis«
zurechtgewiesen werden? Oder muss den vorlaut-kessen Nasenträgerinnen eine spezifische Etikettierung, wie die
»Naseweise« oder die »Naseweisin«, zuteil werden?
Und es offenbart sich ein weiteres Sprachdilemma. Den diese Begriffe prägenden Wortteil »Nase« bewerten auf
Korrektheit erpichte Sprachwächter als anrüchig. Denn das gesichtsformende Accessoire »Nase«, und das lässt sich
nicht bestreiten, kann Verunglimpfendes bezeichnen, wie »Riechkolben« oder »Zinken«, also beleidigend sein.
Zwangsläufig müsste »Naseweis« dem nicht zeitgemäßen Wortgut zugeordnet und künftig ersetzt werden - durch das
erfreulicherweise geschlechterneutrale, spitzzüngige »Lästermaul«.
Der Bitte, einen Zeitungsartikel vorzulesen, kam ich gern nach. Die anfangs flüssige Textwiedergabe geriet jedoch in
ein Desaster bei der Deutung und Wiedergabe der Stelle »Partei der Saubermänner und -innen«.
Blitzschnell kapierte ich, dass mit »-innen« nicht das Gegenteil von »außen« gemeint sein kann. Aber es fehlte ein
Geistesblitz für eine geeignete »-innen«-ans-Wort-Montage. Ich schwankte zwischen »Saubermännerinnen« und »Sauberinnen«,
zog in Erwägung, »-innen« mit einem Sprechpäuschen nach »Saubermänner« oder nach »Sauber« anzulauten.
Eigentlich, so kommt es mir vor, ist sprachlich neuerdings alles richtig, was Geschlechtertrennung befeuert.
Deshalb ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis die Bezeichnung »Menschen« für solche weiblichen Geschlechts
ausgedient hat. Zwischen Bürgerinnen und Bürgern wird schon sauber unterschieden. Insofern sollte das altbackene
»Menschen« nach obigem Saubermänner-Muster aufgehübscht werden durch »Menschen und -innen«
Unsinn? Hoffentlich!
Zwei Zeitungen informierten die Vogtländer über einen Brief an eine sächsische Behörde. Die Absender des Schreibens
sind Protagonisten des »Mittelzentralen Städteverbundes (bzw. Städteverbandes) Göltzschtal«. Ob die Städte an der
Göltzsch miteinander verbunden oder verbandelt sind, sei dahingestellt.
Ins Grübeln kommt man bei dem Wort »mittelzentral«. Rätselhaft bleibt, ob die längs des Flusslaufes verketteten
Orte künftig eine Mitte in einem Zentrum oder ein Zentrum in einer Mitte haben oder etwas Derartiges bilden
oder ob mittels »mittelzentral« irgendetwas Anderes übermittelt werden soll.
Dem darüber Sinnierenden drängte sich eine Frage auf: Wäre es ein Verlust, wenn das in den Bündnisnamen
eingebastelte Adjektiv vom Wasser der Göltzsch weggespült würde?
Der Zuschrift eines Freundes der deutschen Sprache ist zu entnehmen, dass die GEW Sachsen (Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft) zu einem Bildungstag einlädt und appelliert:
»Ein Muss für jede/n Pädagog*innnen«.
Ein Pädagog fragt sich: Ist das »geschlechtergerechte Sprache« und grammatisch ein Genuss oder Stuss?
Der »Vogtland-Streicher« befürwortet das und stellt eine Impf-Kandidaten-Liste auf. Ihr entnommen sind:
Himmelhund, Sauhund, Schweinehund, Schweineigel, Schweinepriester, Hornochse, Mondkalb,
Neidhammel, Honigkuchenpferd, Bürohengst, Frechdachs, Hamsterbacke, Kanalratte, Dreckspatz, Schluckspecht,
Bordsteinschwalbe, Anstandswauwau.
Zu beachten ist auch in Coronazeiten das Tierwohl.
Widerfährt den Tieren Artgerechtigkeit, wenn sie zur Charakterisierung eines solchen Personenkreises herangezogen werden?
Ein Redakteur schrieb in seiner Kolumne: »Man hört nur die bekannte Kakophonie der Berliner Politik mit den üblichen
Missklängen und Unstimmigkeiten.«
Hinzugefügt sei: Nicht nur in Berlin und nicht nur in der Politik
ergreifen Kakophoniker geltungssüchtig das Wort.
Mit neuen Impfstoffen gewinnen auch zwei Wörter an Bedeutung: VERIMPFEN und DURCHIMPFEN. Dem aktuellen Duden (28. Auflage, 2020)
sind diese Verben nicht einverleibt. Eingefügt wurde ihm aber bereits die DURCHIMPFUNGSRATE.
Nicht erspart bleibt dem Regelwerk wohl künftig der Eintrag IMPFCHAOS.
»Alkoholkonsumverbotspolizeiverordnung«
Wem dieses 37-Buchstaben-Wort nicht mehr verständlich und flott von der Zunge über die Lippen ins Freie flutscht,
der sollte schleunigst den städtischen Null-Promille-Bereich verlassen.
Eine selbsternannt »moderne, zukunftsorientierte öffentliche Verwaltung« gibt ein Amtsblatt heraus.
Darin schaltete sie kürzlich, auf der Suche nach engagiertem Personal, eine Anzeige. Zehn offene Stellen
wurden angeboten, zum Beispiel:
Amtsärztin/Amtsarzt (w/m/d),
Revierförsterin/Revierförster (w/m/d),
Sachbearbeiterin/Sachbearbeiter Kultur (w/m/d).
Ein potentieller Bewerber ist verwirrt. Wird er mit seinem Geschlecht den Anforderungen einer modernen,
zukunftsorientierten Verwaltung gerecht? Ist er doch nur männlich, nicht auch noch weiblich und divers.
Gilt (w/m/d) nur für ihn oder auch für die Mitbewerberin?
»Jetzt muss ich aber runter vom Bock, auch wenn es mir schwerfällt.«
Im Länderspielbericht einer in der Region gern gelesenen Tageszeitung wurden zwei Nationalspieler für einen
gelungenen Spielzug gelobt: »Robin Gosens ... überzeugte durch die gute Vorarbeit für Timo Werner, der die
Kugel wuchtig ins Tor schiss. Danach vergingen aber viele Minuten ohne nennenswerte Offensivaktionen des DFB-Teams.«
Was wurde da eigentlich bejubelt? Die Einheimischen vernahmen die Nachricht mit Freude,
denn sie dürfen nun doch feiern: die Kirmes (Kirchweih).
Liebe Leserin, lieber Leser, hier ist Platz für die Veröffentlichung Ihrer »Sprach-Fundstücke«.
Gern nehmen wir auch Ihre »Sprach-Fundstücke« entgegen (bitte möglichst mit Quellenangabe).
Adresse: info.literatur@gmx.de
Sache: Reduzierung der Defizite bei der Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frauen
Eingriff: Beim Gendern wird männlichen Substantiven die generische Funktion (Verwendung für weibliche und männliche Personen) entzogen,
d.h., sie werden reduziert auf die Bezeichnung von Männern. Die vom generischen Maskulinum ebenfalls erfassten Menschen
weiblichen (und anderen) Geschlechts werden abgesondert, indem durch Anfügen von in weibliche Substantive
gebildet werden (der Bürger, die Bürgerin; der Wähler, die Wählerin). Mit Hilfe von Leer- bzw. Sonderzeichen entstehen
generisch verwendbare Pluralformen, wie die Bürger innen, BürgerInnen, Bürger*innen, Bürger:innen. Im Gegensatz
zum generischen Maskulinum bleibt dem generischen Femininum, Neutrum und Plural die Funktion der geschlechterübergreifenden
Bezeichnung erhalten.
Deshalb können diese zur Vermeidung von Wortwiederholungen in Reden und Texten genutzt werden (die Bürger*innen - die
Bürgerschaft, das Bürgertum, die Bürgerlichen). Eine weitere Möglichkeit, das generische Maskulinum zu vermeiden, besteht
darin, das zum Substantiv gehörende Verb in ein Partizip zu verwandeln (der Student - studieren - studierend; der Teilnehmer
- teilnehmen - teilnehmend) und das Partizip zu substantivieren (der, die / die Studierende/n; der, die / die Teilnehmende/n).
Noch nicht etabliert haben sich substantivierte Partizipien bei der Bildung von Zusammensetzungen (Studentenclub -
Studierendenclub). Bei Stellenangeboten wird durch einen zusätzlichen Hinweis auf den generischen Charakter des männlichen
Substantivs aufmerksam gemacht: Mitarbeiter (w/m/d) gesucht.
Sachdienliche Wirkung: Die gesellschaftliche Entwicklung im letzten Jahrhundert brachte eine verstärkte Integration der Frauen
in alle Lebens- und Tätigkeitsbereiche mit sich. Das veränderte auch den Sprachgebrauch, indem viele maskuline Substantive
zunehmend nicht mehr nur zur Bezeichnung von Personen männlichen Geschlechts dienten, sondern generisch Verwendung fanden.
War früher beispielsweise der Bildungs- und akademische Bereich weitgehend den Männern vorbehalten, hat sich der Anteil von
Abiturienten, Studenten, Hochschullehrern, Wissenschaftlern weiblichen Geschlechts in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
wesentlich erhöht. Wurde in der DDR von Lehrern, Ingenieuren, Ärzten gesprochen, ging es vielfach undifferenziert um Aussagen
über Zugehörige männlichen und weiblichen Geschlechts. Diese Zuordnung unter einer Bezeichnung ist aber kein Beleg für
Gleichberechtigung oder Gleichstellung. Umgekehrt ändert die sprachliche Trennung der Geschlechter durch das Gendern nichts am
prozentualen Anteil der Frauen in hochdotierten und Führungspositionen. Das generische Maskulinum ist nicht mehr und nicht weniger
als der sprachliche Beleg für Integration von Frauen und Personen diversen Geschlechts - ohne weitergehende Hinweise, ohne Angaben
über Quoten, Stellung in Hierarchien, Entlohnung. Im Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 1994, ist
Integration u.a. definiert als Einbeziehung, Eingliederung in ein größeres Ganzes).
Substantive im generischen Maskulinum, Femininum, Neutrum und Plural stellen Personen unterschiedlichen natürlichen Geschlechts
sprachlich gleich. Sprachliche Gleichstellung ist vollzogen, wenn Bezeichnungen, wie Facharbeiter, Fachkraft, Fachpersonal,
Fachleute, als sinnverwandte Varianten für alle Geschlechter verwendet werden, wenn Frauen wie Männer mit dem Wort Experte
(Maskulinum) bezeichnet, als Persönlichkeit (Femininum) gewürdigt, beide dem Kreativpersonal (Neutrum) zugerechnet werden und
als Fachleute (Plural) Anerkennung erfahren.
Geschlechterbezogene sprachliche Differenzierung ist weder ein zeitgemäßer Impuls noch ein geeigneter Weg zur Reduzierung von
Ungleichbehandlung. Die sprachliche Trennung der Geschlechter steht im Widerspruch zu der auch durch Emanzipationsbewegungen
bereits vollzogenen Anpassung der Sprache an die gesellschaftliche Entwicklung. Bei der Verbreitung vieler Informationen erübrigen
sich in unserer Zeit Erhellung oder Betonung des Geschlechts. Mit zunehmender Gleichstellung und Gleichberechtigung sollte das
Gendern reduziert und nicht, wie gegenwärtig zu verzeichnen, ausgeweitet werden.
Dopplungen wie Bürgerinnen und Bürger erhöhen den Anteil der Füllwörter in Reden und in Texten. Sie verschaffen dem
Redner Zeit zum Nachdenken bei der Beantwortung von Fragen und füllen oder vermehren dem Schreiber die Textzeilen. Zur Herstellung der
Gleichberechtigung oder Gleichstellung tragen sie so viel bei wie ein Äh oder Also in einem spontanen Redebeitrag.
Eine Pressemitteilung unter dem Titel »39 Hausärzte stehen fürs Impfen in den Startlöchern« ist ein Beleg dafür,
dass genderfreie Sprache niemanden bevorzugt oder benachteiligt.
Der Artikel enthält folgende Substantive, die Personen bezeichnen oder Personen- bzw. Personalbezeichnungen
einschließen:
Anwärter, Ansprechpartner, Hausärzte, Hausärzteverband, Hausarztpraxis, Impfkandidaten, Mitarbeiter,
Patienten, Patienteneinschätzung.
Das grammatische Geschlecht (Genus) der personenbezeichnenden Substantive ist männlich. Das biologische
Geschlecht (Sexus) der bezeichneten Personen kann weiblich, männlich, divers sein, ist aber für die Informationen,
die im Artikel verbreitet werden, belanglos.
»Beispiel: Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes sieht »den größten Vorteil am Einbinden der Hausärzte darin,
dass für viele Patienten die Wege kürzer werden und sie einen vertrauten Ansprechpartner haben.«
Jeder Leser weiß, dass es unter Ärzten, medizinischen Mitarbeitern wie unter Patienten sowohl Frauen als auch Männer
und Diverse gibt. Die hier praktizierte Verwendung grammatisch männlicher Substantive für die Bezeichnung von
Personen unterschiedlichen Geschlechts entspricht dem historisch gewachsenen Sprachgebrauch und dem zeitgemäßen
Sprachverständnis, zeugt von sprachlicher Gleichstellung.
Wie im vorliegenden Pressebeitrag ist In vielen Nachrichten und Meinungsäußerungen das Gendern unnötig.
Mit Verwunderung und Unverständnis nehme ich immer wieder zur Kenntnis, dass im 21. Jahrhundert in Deutschland Bezeichnungen,
die sich auf Menschen beziehen, wie Mitarbeiter, Kunden, Besucher, Leser u. Ä., mit Zusätzen versehen werden, um darauf
hinzuweisen, dass sich unter den Benannten auch Menschen weiblichen Geschlechts befinden.
Heutzutage sind in nahezu allen Lebensbereichen - in Unternehmen, Behörden, Ministerien, Institutionen,
Bildungsstätten, Sozialeinrichtungen u.a. - Frauen vertreten. Insofern erübrigen sich Medienberichte folgender Art:
Die Bundeskanzlerin führte mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Gespräche.
In Fortsetzung der Nachricht heißt es: Sie beriet mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten
über Corona-Maßnahmen.
Und die Meldung schließt etwa so: Die Kanzlerin, die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben
mehrere Beschlüsse gefasst.
Berichterstattung dieser Art nimmt zu.
Vernünftig betrachtet, ist die ausufernde inhaltslose »Genderei« nur Zeit-, Platz-, Geldverschwendung.
Eine sogenannte »geschlechtergerechte Sprache« kann nicht herbeiführen, was Emanzipationsbemühungen nicht
erreicht haben, nämlich den Frauen in vielen Wirkungsbereichen Wege zu angemessener Teilhabe und Vergütung
zu ebnen.
Außerdem: »Gendern« ist vielfach unzeitgemäß, weil sich Wortinhalte auf Grund sozial-gesellschaftlicher
Entwicklungen des letzten Jahrhunderts ebenfalls verändert haben und nicht mehr den Zeiten entsprechen,
in denen Bürgermeister, Parteivorsitzende, Minister, Kanzler, sogar Wähler u.v.a. ausschließlich
Männer waren. Im heutigen Sprachalltag bezeichnen nur wenige maskuline Substantive echte Männerdomänen.
Bezeichnungen wie Bürger, Einwohner, Mieter, Teilnehmer, Zuschauer usw. stellen Menschen -
ungeachtet von Geschlecht, Herkunft, Religion - gleich, sind vereinbar mit emanzipatorischen Bestrebungen,
geben sowohl Realität als auch Ideale zivilisierten Zusammenlebens wieder.
Diese Anmerkungen betrachte ich als Beitrag zum Meinungsaustausch über das Thema »Gendern«. Weitere Beiträge
von mir zu dem Thema: »Das ungewisse Geschlecht« (Sprach-Fundstücke, s.o.), »Die Frauenquote in der Sprache«
(Sprach-Betrachtungen, s.u.), »Der kleine Unterschied«
(s. Aktuelle Literatur - eingesandte Texte, F. Spitzner)
- von Dr. Frieder Spitzner
Wenn Sie in einer kulturell vielfältigen, familienfreundlichen und landschaftlich reizvollen Gegend Urlaub
machen möchten, dann kommen Sie ins Vogtland. Lassen Sie sich nicht abschrecken von Werbebotschaften, in
denen Ihnen als Teil des Sinusmilieus Destinationsstrategien zur zielgruppenspezifischen Marktpositionierung
des Vogtlandes vorgestellt werden. Das Vogtland wird laut Strategiepapier beworben unter der Marketing-Dachmarke
»Sinfonie der Natur« mit folgenden drei Schwerpunkten:
- Klangvoll kultiviert Kultur erleben,
- Natürlich gesund Natur spüren,
- Familiär gewachsen - Familie leben.
Das sind laut Bericht über die touristische Vermarktung auch den Rahmen der Destinationsentwicklung bildende Eckpunkte.
Was verbirgt sich unter der Schminke dieser sprachlich gesalbten institutionellen Bekanntmachungen? Vermutlich ist
doppelt Gemoppeltes, wie »kultivierte Kultur«, »natürliche Natur« und »familiäres Familienleben«, nicht beabsichtigt,
und das Wortgefüge tagestouristische Aufenthaltstage ist kein echtes gemischtes Doppel. Es zeigt sich:
Sprache ist ein kompliziertes Phänomen, und sprachliches Sezieren branchenspezifischer Kodes ist mühselig und
verpufft nicht selten. Deshalb beschränken wir uns auf die wohlwollende und für jeden verständliche Empfehlung:
Bereisen Sie das Vogtland und lassen Sie sich von der Fülle regionaler Besonderheiten überraschen!
(Das kursiv gedrucktes Vokabular wurde im Februar 2021 einem Zeitungsbericht entnommen.)
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Thema |
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Inhalt |
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(1) Verbindungen nach dem Muster »Corona-Substantiv«
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CORONA - ...-Abstandsregeln, -Abstinenz, -Alarm, -Ambulanz, -Ampel, -Ansteckungsgefahr, -Antikörper,-Antikörpertests, -App, -Appell, -Auflagen,
-Ausbrüche, -Ausgaben; |
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(1) Im Vogtland gibt es mehrere Arenen, zwei davon in Auerbach: Die »SchlossArena«, eine günstig in Zentrumsnähe gelegene Mehrzweckhalle, und die »Arena zur Vogtlandweide«. Diese haben Fußballenthusiasten auf- und ausgebaut. Eine Kleinstadtmannschaft behauptet sich seit Jahren in diesem
Stadion außergewöhnlich erfolgreich gegen traditionelle Großstadtvereine mit Höchstligaerfahrungen. (2)Die »Sparkasse Vogtland Arena« in Klingenthal ist keine Spielstätte für Provinzamateurfußball, was vom Namen her nicht auszuschließen wäre. Nein, diese »Arena« ist dem Skisport vorbehalten, ist Austragungsstätte für hochkarätige
internationale Wettbewerbe, ist eine der modernsten Sprungschanzen der Welt. (3) So beispielsweise das als »Illusorium« bezeichnete Kabinett für Illustrationskunst im Museum auf Schloss Voigtsberg in Oelsnitz/V. Wer die Ausstellung besucht, um sich »Illusionen« hinzugeben, findet eine Vielzahl
künstlerisch hochwertiger, kreativer »Illustrationen« vor (Dudenlexikon: Bildbeigaben zu einem Text). (4) Eine ehemalige Eisdiele in Auerbach/V. wurde wiedereröffnet, trägt jetzt einen neuen Namen: »Eis Dealer«. Der dem Speiseeis zugeneigte Wortklauber (Dudenlexikon: »Wortklauberei« - kleinliches Festhalten an der
wortwörtlichen Bedeutung) hat wegen Corona-Abstinenz noch nicht testen können, ob die beim »Eis Dealer«
angebotenen kühlen Köstlichkeiten geschmackvoll sind und eventuell sogar euphorische (Hitze)Gefühle auslösen. (1) Das Wort »Weide« im Zusammenhang mit einem Fußballstadion ist eine »Steilvorlage« für Anspielungen,
Spöttelei, Verhöhnung. |
(Veröffentlicht im Vogtland-Anzeiger am 16.9.2014 unter der Überschrift »Mehr Aufmerksamkeit - hat unsere Sprache das nötig?«)
1998 wurde der »Tag der deutschen Sprache« ins Leben gerufen, um der Sprache mehr Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen.
Hat das die Sprache nötig?
Ja, leider. Weil es zu viele selbstgefällige »Größen« gibt, denen es völlig reicht, sprechen zu können.
Was sie natürlich auch tun, sogar lautstark, wenn es ihnen in den Kram passt. Dennoch zählen sie Sprache zu den vernachlässigbaren Größen,
wenn sie das Wort »Größe« im Zusammenhang mit schriftlichen oder mündlichen »Sprachprodukten« überhaupt in den Mund nehmen.
Herablassend reagieren sie auf Sprachenthusiasten, die sich ihrer Meinung nach mit einem »Tag der deutschen Sprache« nur wichtig
zu machen versuchen. Wichtig seien doch Faktoren von lebensnotwendiger Bedeutung. Wie die Energiegewinnung, die Schweinemast,
die Abfallentsorgung und, ganz klar, der Fußball. Dieser Argumentation muss man selbstverständlich beipflichten - aber nicht,
ohne ein despektierliches Gegenargument vorzubringen. Denn wir haben staunend erlebt, dass Sprachliches, beispielsweise ein Sprechgesang
der Extraklasse, heutzutage karrieremäßig genauso förderlich ist wie Weltraumheldentaten oder weltmeisterliche Fußballakrobatik.
Den Nachweis zu liefern ist ein Leichtes:
Im Vogtland gibt es drei deutschlandweit bekannte, lebende Persönlichkeiten. Sigmund Jähn, Stefanie Hertel, Regina Zindler.
Der hohe Bekanntheitsgrad dieser Mitbürger resultiert aus außergewöhnlichen Leistungen. Sigmund Jähn flog als erster Deutscher
in den Kosmos. Dafür musste er jahrelang Strapazen aller Art auf sich nehmen, ein hohes Risiko für Leib und Leben eingehen,
und er konnte sich des erfolgreichen Ausganges seiner Mission nicht sicher sein.
Stefanie Hertel tourt seit Jahrzehnten singend, tanzend, plaudernd zum Vergnügen ihrer Fans durchs Land.
Aber für einen echten Medienkracher sorgte kurz vor der Jahrtausendwende Regina Zindler. Und womit? Mit einem einzigen gesungenen Wort!
Wenn dieses Wort erklingt, horchen sofort alle auf. Der Nutzer des Wortes hat umgehend die Aufmerksamkeit, die sich Lehrer in Klassenzimmern,
Professoren in Hörsälen, Politiker bei Wahlkampfauftritten nur wünschen können. Sobald das Wort die Ohrmuscheln erreicht,
verändern sich die Gesichtszüge. Einige wenige Mienen verziehen sich missbilligend. Bei den meisten Normalos aber zeigen sich
blitzschnell die Lachfalten. Und das Erstaunlichste: Jeder beginnt sofort - als gebe es nichts Wichtigeres unter der Sonne -
über Sprachliches zu reden, also über Hochdeutsch und Dialekt, Mundart und Heimatverbundenheit,
Walter Ulbricht und die Schwaben. Und das seit über fünfzehn Jahren!
Das zeigt doch deutlich, was wirklich den Status des Großartigen genießt: nicht die überall aufgestellten
Grundstückssicherungsgroßserienerzeugnisse mit der markigen Bezeichnung »Maschendrahtzaun«. Dafür interessiert sich niemand.
Der Sprechakt dagegen, bei dem der Zaun als dreiteilige Wortzusammensetzung, wellentonartig geformt, den Lippen entweicht,
überwältigt und erhitzt die Gemüter.
Bemerkenswert, faszinierend, mitunter erschreckend, zuweilen großartig, was Sprache auslösen und bewirken kann:
Medienrummel, Fangetümmel, Gelächter, Hohn und Spott, Diskriminierung. Dem will natürlich niemand mit unbedarften Auftritten Vorschub leisten.
Weil man aber nicht so recht weiß, wo die Sprache ihre Stolpersteine ausgelegt hat, wird vorsichtshalber die Sprachbremse getreten.
Deshalb lautete die Devise im sächsischen Landtagswahlkampf: selbst den Mund nicht zu voll nehmen, dafür die Münder der Wählerschaft stopfen.
Also wurden Versprechungen und sonstiges Blabla reduziert und stattdessen wortarme Bilder aufgehängt und Kekse sowie andere Leckereien
verabreicht. Spektakulär sind solche Offerten nicht, aber gehaltvoller als manche Wortgefechte. Und wer erst einmal auf einem Abgeordnetensessel
thront, muss sowieso nicht mehr mit rhetorischem Rüstzeug glänzen.
Inzwischen sind die Laternenpfähle entrümpelt und die Naschereien verdrückt. Und Sprachliches - fischt es uns noch an? Schwer zu sagen,
ob es wichtig genommen wird.
Ob wichtig oder nicht, nützlich ist Sprache. Und sogar pfiffig nutzbar wegen unerschöpflicher und raffinierter Verwendungsmöglichkeiten.
Selbst solche Wörtchen wie »an« strotzen vor imponierender Einsatzvielfalt. Schauen wir uns das an: Wer »baggert«, der arbeitet redlich,
aber wer »anbaggert«, der benimmt sich unschicklich oder kommt gut an als flotter Typ. Immer mehr Mutige gesellen sich zu den »Anmachern«,
die im Wechsel der Jahreszeiten im See »anbaden«, am Sandstrand »anbeachen« und im Gebirge »anwintern«. Das »Anmachen« gewinnt zunehmend
an Bedeutung, manch eine Ansprache dagegen rührt niemanden an. Das ist halt so, wenn Sprachbildung nicht angefordert wird,
Rhetorikkurse nicht in Anspruch genommen werden. »Sprachler« müssten deshalb, wenn das Ansporn wäre, am Tag der deutschen Sprache »anheulen«.
Und darüber hinaus müssten sie immer wieder anfangen aufzuheulen, wenn Schwätzer Aufmerksamkeit beanspruchen und Sprüche klopfen wie:
Für Großes braucht man keine großen Worte.
(Dr. Frieder Spitzner)
Der folgende Text ist ein Beitrag zum »Tag der deutschen Sprache«, an dem jährlich am zweiten Sonnabend im September auf Sprachliches aufmerksam gemacht wird. Veröffentlicht wurde der Text (ohne die letzten drei Sätze) am 14.09.2013 im Vogtland-Anzeiger unter der Überschrift »Die Frauenquote in der Sprache«. |
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Vor reichlich 15 Jahren wurde der »Verein Deutsche Sprache« gegründet.
Das Anliegen des inzwischen auf über 36000 Mitglieder angewachsenen Sprachvereins besteht darin,
die Vielfalt, Ausdruckskraft und Schönheit der deutschen Sprache zu wahren.
Deshalb nimmt er Spracherscheinungen der Gegenwart unter die Lupe, deckt Mängel auf, versucht aufzuklären.
Seit Vereinsgründung wird vor allem der Missbrauch von Anglizismen angeprangert.
Selbstverständlich setzen sich die Sprachfreunde auch mit anderen Auffälligkeiten im Sprachgebrauch auseinander.
Der heutige Tag der deutschen Sprache sei zum Anlass genommen, merkwürdige sprachliche Emanzipationsbemühungen aufs Korn zu nehmen. |
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Seit Angela Merkels Kanzlerschaft (die!) ist das Wort »Kanzlerin« in aller Munde. Für nahezu jeden Beruf,
Geschäftsbereich und Qualitätshinweis gibt es inzwischen eine weibliche Komponente. Selbst der Kanzlerbonus wird der gegenwärtigen
und darüber hinaus allen künftigen Regierungschefinnen nicht zugemutet. Der Duden gönnt ihnen den Kanzlerinnenbonus.
Überhaupt ergänzt der Rechtschreibaufklärer männliche Wortformen mit dem weiblichen Pendant präzise und akribisch.
Dem »Kanzleramtsminister« werden, durch Komma getrennt, die gleichen 19 Buchstaben an die Seite gerückt und zusätzlich mit
»in« versehen.
So wird jedem deutlich, dass ein Amtsschimmel auch weiblich wiehern kann. Bemerkenswert ist, dass immer der Mann zuerst verbucht wird.
Denn der Duden reitet bei der Wortlistung uralte Prinzipien. Er schert sich dabei nicht um die Begegnung der Geschlechter auf gleicher Höhe.
Vergebens sucht man neben dem Kanzler die Kanzlerin. Sie taucht erst erniedrigende vier Zeilen unter ihm auf (25. Auflage).
Dafür aber dominiert die mit zwei Buchstaben zugefütterte feminine Variante breitenmäßig. Dank der Wortverbreiterung verdickt der Duden
und nimmt an Gewicht zu. Zunehmend belastet er die Rat Suchenden und wird sich dennoch weiter vervollkommnen. Denn während es die
Sittlichkeitsverbrecherin und die Unholdin bereits ins Nachschlagewerk geschafft haben, warten der böse Geist, der Wüstling und der Sündenbock
aufs gleichberechtigte weibliche Gegenstück. |